« Staunen ist der erste Grund der Philosophie. » Aristoteles


Wendepunkt der Evolution

(1. Teil)

Die hier gemachten Ausführungen enthalten so viele neue und ungewöhnliche Gedanken über das wichtigste Thema der Menschheitsgeschichte, sodass sich empfiehlt den gesamten Text auszudrucken und in einer ruhigen, besinnlichen Stunde zu lesen. Erst dann wird er reichen Gewinn bringen können.

Wir leben in einer wunderbaren Welt, einer Welt voller Rätsel. Der Mensch ist berufen, eine innige Empfindung von der Herrlichkeit des gesamten Seins zu bekommen, und tief und tiefer in die Mysterien einzudringen, um immer wie der staunend vor neuen Geheimnissen zu stehen. Unausschöpflich ist die Welt, immer neue Wunder hält sie bereit. Ein solches Wunder ist der menschliche Organismus. Aus der Verschmelzung von Ei und Samen - beides winzig klein - wächst ein abermillionenfach größeres Wesen heran, differenziert in Gestalt und Organen, befähigt, Träger des Denkens und Fühlens zu sein.
Aber trotz oder sollte man sagen, gerade wegen dieser Differenziertheit der einzelnen Organe arbeiten sie wunderbar zusammen, ist der ganze menschliche Körper ein vollendetes Spiel feinst abgestimmter Kooperation.
In einem geradezu schreienden Widerspruch dazu steht allerdings nur zu oft des Menschen Befindlichkeit und Verhalten. Welch' ein Chaos kann das Gefühls- und Gedankenleben des Menschen sein, wie destruktiv sein Handeln! Dies im Blick hat man den Menschen schon einen " Unfall der Schöpfung " genannt.
Woher rührt diese Gegensätzlichkeit, die bei keinem anderen Lebewesen zu finden ist? Weshalb kann nur der Mensch so extensiv gegen die eigene und die ihn umgebende Natur handeln? Was macht ihn zu einem Störfaktor innerhalb harmonischer Regelkreise der Schöpfung?
Liegt es daran, dass der Mensch eben nicht nur Natur, nicht nur ein " höheres Tier " ist? In der Tat, würde der Mensch nur Natur sein, so würde er auch gänzlich eingebunden in sie und ausschließlich, wie die Tiere, von Instinkten geleitet sein. Ein disharmonisches Verhalten wäre unmöglich.
Dies ist aber, wie gesagt nicht der Fall. Der Mensch geht über die Natur hinaus. So ist der Mensch in seinem eigentlichen Wesen gerade nicht Natur, sondern Übernatur oder anders ausgedrückt, Geist. Geist, der innerhalb der Natur zum Ausdruck kommen möchte und insofern Anteil an der Natur hat. Das eigentlich Menschliche , man kann es nicht scharf genug betonen, ist qualitativ gänzlich von der Natur unterschieden und damit keinerlei Naturprozessen unterworfen . Nur wenn wir den Menschen so sehen können, lassen sich alle Fragen des Daseins in befriedigendem Maße beantworten.
Während der Mensch Übernatur ist, und ihm die Natur ebenso unmittelbar gegeben ist, sind ihm in gleicher Weise Erkenntnis, Bewußtsein und Selbstbewußtsein nicht gegeben, sondern diese resultieren aus den Interaktionen von Übernatur und Natur.
Erkennend ist dabei nicht die Natur (also der biologische Organismus des Menschen), sondern die Übernatur, also der Geist. Er ist das aktive Element, das Licht, das auf das passive Element, die Natur trifft. Die passive Natur stellt dem aktiven Geist einen Widerstand dar, an dem die Aktivität, das Licht reflektiert wird. Diese formenspezifische Reflexion des Lichtes stellt die Erkenntnis dar.

Hieraus erhellt, dass sich der Geist in seinem eigenen Wesen erst zuletzt erkennt. Er kann zu nächst nicht selbst Gegenstand der Erkenntnis sein, da er eben aktiv ist und nur das erkannt werden kann, was passiv ist, also die Natur. Doch mit jedem Erkennen verdichtet sich gleichsam für den Geist die Empfindung, in der Aktivität, also im eigenen Wesen gehemmt zu werden - eben weil Reflexion des Lichtes, Brechung des Lichtes , nicht ein geradliniges Weitergehen desselben ist.

Erkennt er zunehmend das Wesen der Natur als das ihn Einschränkende, steht er vor dem Tor der Selbstbewußtwerdung. Und doch vermag er nicht hindurchzuschreiten!
Die Tür ist verschlossen durch einen für den individuellen Geist unauflöslichen Widerspruch. Wahre Selbsterkenntnis des Geistes erfordert völlige Konzentration des Geistes auf sich selbst - also eine völlige Schwerpunktverlagerung gegenüber vorher, wo er auf die Naturtatsachen ausgerichtet war.
Diese ist ihm aber nicht möglich, da er bisher nur mit der Natur vertraut geworden ist, zu sich selbst aber kein Zutrauen hat. So kann er die Natur nicht lassen, um sich zu finden. Was bleibt, ist die Verzweiflung. Denn auf dieser Stufe, wo sich der Geist genötigt sieht, sich in seiner wahren Natur zu erkennen , gibt es kein Zurück.
So musste, um den Fortbestand des Individuums und des Kosmos zu sichern, zu einem bestimmten zeitlichen Punkt der Menschheitsentwicklung ein Ereignis fallen, das dem Menschen wahre Selbsterkenntnis ermöglichte.
Das Wesen dieses Ereignisses musste darin bestehen, dem Menschen die ihm verborgene Herrschaft des Geistes über alle Materie zu demonstrieren. Wie konnte das besser geschehen , als dadurch, dass ein Wesen, das sich der Allmacht des Geistes bewusst und deshalb der Natur nicht unterworfen war, freiwillig der scheinbaren Herrschaft der Materie und damit des Todes unterwarf ?
Wenn der Geist tatsächlich der Herr ist dann konnte der physische Tod, und damit die seelische Angst und Verzweiflung, das Böse, die Krankheit, die daraus erblühten, nicht das letzte Wort haben, dann musste der Geist über den Tod triumphieren.

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