« Staunen ist der erste Grund der Philosophie. » Aristoteles


Glaube, was ist das?

Vielleicht ist nichts so schweren Missverständnissen ausgesetzt als das, was man unter "Glauben" versteht. Selbst unter denen, die sich, sagen wir im kirchlichen Sinne, als "gläubig" bezeichnen, herrscht über das, was darunter zu verstehen ist, die größte Unklarheit.
Gewöhnlich wird darunter lediglich ein "Führ-Wahr-Halten" einer an sich unsicheren Sache verstanden. Im besten Falle einer Sache, die zwar als existent, aber nicht als beweisbar angesehen wird. Glaube kommt damit, besonders im ersten Fall, in die Nähe von Unaufgeklärtheit: Ein moderner Mensch glaubt nicht! Man meint, über den Glauben erhaben zu sein.
In der Tat kann man alles das unter "Glauben" verstehen. Und ganz gewiss glaubt der Mensch an vieles, dem wirklich keinerlei Existenz, außer in seiner eigenen Vorstellung, zukommt.

Wie steht es aber um den ernst zu nehmenden Glauben? Was ist sein Verhältnis zum Wissen?
Besteht überhaupt die Notwendigkeit, ihn in einer solchen Relation sehen zu müssen?


Gott – nur eine Sache des Glaubens?

Beginnen wir mit dem ganz Großen, mit dem "Glauben an Gott".
Es heißt, an Gott könne man nur glauben. Zu beweisen, dass es einen Gott gibt, sei nicht möglich. Das ist dann auch für viele der Grund, seine Existenz überhaupt zu leugnen.
Um über diese Fragen Klarheit zu bekommen, muss erst einmal definiert werden, was der Begriff "Gott" aussagt. Unter ihm versteht man den Urgrund und die Umfassung aller Dinge, den Ausgangspunkt alles dessen, was ist.

Was verstehen wir nun unter einem Beweis, bzw. wie werden Beweise geführt?
Für unseren Zweck genügt es zu wissen, dass Beweise geführt werden, indem das zu Beweisende aus bereits gewissen Tatsachen logisch abgeleitet wird.
Der Urgrund, also Gott, kann aber nicht von etwas Bestehendem abgeleitet werden, da er ja per definitionem die Ursache alles Bestehenden ist. In diesem Sinne ist also Gott nicht beweisbar, und wird er es niemals sein können. Zu leugnen, dass es einen Gott gibt, ist aber in diesem Falle auch unlogisch, denn es hieße zu leugnen, dass das, was ist, eine Ursache habe.
Freilich wird kein Gottesleugner behaupten, dass alles ohne Ursache sei. Er meint lediglich, dass es keine anderen als materielle Ursachen gäbe. Diese Aussage kann er allerdings nicht beweisen. Sie ist lediglich ein Glaube im Sinne von "Führ-Wahr-Halten".
Echtes wissenschaftliches Vorgehen, das in unserer naturwissenschaftlich geprägten Zeit sehr selten ist, geht nicht von einem durch Kant geprägtem Axiom aus, dass nur das Materielle erforschbar sei und kennt kein Bestreben, alles auf materielle Ursachen zurückzuführen.
Wissenschaftlichkeit zeigt sich gerade darin, dass vorurteilslos das Dasein betrachtet wird und nicht mit einer bereits vorgegebenen Einschränkung. Wird die Welt ohne die materialistische Scheuklappe betrachtet, dann zeigt sich sehr wohl, dass es mehr als nur materielle Gesetzmäßigkeiten gibt.
Jeder Mensch kennt mehr als materielle Ursachen. Wenn sich z.B. Menschen miteinander unterhalten, dann sind die Worte und Gefühle ausschlaggebend für das Handeln und nicht primär chemisch-biologische Prozesse innerhalb unseres Körpers.
Dass wir, wie schon dieses Beispiel zeigt, relativ unabhängig vom Körper sind (und es gibt dafür eine Unzahl weiterer Beispiele) zeigt, dass das Materielle nicht primäre Ursache aller Dinge sein kann.
Auch aus rein naturwissenschaftlichen Theorien ist man inzwischen zur Auffassung der Endlichkeit der Materie gelangt. Dafür steht die "Urknalltheorie". Überhaupt verdichteten sich in der Naturwissenschaft immer mehr die Hinweise auf eine Existenz Gottes und übernatürlicher Welten.
Allan Sandage, genannt " Mister Cosmology": "Die Erforschung des Universums hat mir gezeigt, dass die Existenz von Materie ein Wunder ist, das sich nur übernatürlich erklären lässt." ("Als junger Mann war ich praktizierender Atheist.")
Der Astronom Tammann: "Wer klar bei Verstand ist, kann die Möglichkeit eines Schöpfers nicht ernsthaft ausschließen."
Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass der Urgrund nur geglaubt, aber nicht in dem Sinne bewiesen werden kann, dass er ableitbar von etwas anderem sei. Dagegen kann man mit Sicherheit aus den Erscheinungen der Welt schließen, dass der Urgrund nicht materieller Natur ist.
Das allein ist entscheidend für die Lebenspraxis des Menschen. Damit kommen wir zum nächsten Punkt, den wir auf sein Verhältnis zum Glauben untersuchen möchten.


Übersinnliche Welten, Reinkarnation, Leben nach dem Tod – auch "nur" Sache des Glaubens?

Da nur die Primärursache nicht abgeleitet werden kann, eben weil sie der Urgrund ist, ergibt sich, dass alles andere ableitbar und damit wißbar ist.
Alles, außer Gott, kann also gewusst werden und ist damit in erster Linie nicht ein Gegenstand des Glaubens. Was wißbar ist, kann auch bewiesen werden.
An dieser Stelle soll nicht der Beweis geführt werden, dass es übersinnliche Welten, Reinkarnation und ein Leben nach dem Tode gibt.

Mit Recht sagt die Naturwissenschaft, die sich nur mit den materiellen Erscheinungen befasst, dass durch ihre Methoden Genanntes nicht bewiesen werden kann. Die übersinnlichen Welten, die Reinkarnation, das Weiterleben nach dem Tod unterliegen eben nicht physikalischen Gesetzmäßigkeiten.
Die Beweisführung muss deshalb anders sein. Sie ergibt sich aus der Beobachtung seelischer und geistiger Tatbestände. Aus ihr ergeben sich spirituelle Gesetzmäßigkeiten. (Um zur Anschauung ein kleines Beispiel zu geben: Liebe und Zwang schließen sich gegenseitig aus, also ist im Zwang keine Liebe erfahrbar).
Da der heutige Mensch wesentlich, gerade in der Wissenschaft, sich nur mit den materiellen Tatbeständen befasst, ist die Unwissenheit über Geistig - Seelisches sehr groß.
Diese Unwissenheit – obwohl man wissen könnte (!) – ist verantwortlich für die Leugnung alles dessen, was nicht Materie ist. Sie ist ebenfalls verantwortlich dafür, dass wiederum andere, durchaus aufgeschlossene Menschen, Reinkarnation, übersinnliche Welten usw. zu den Gegenständen des Glaubens, im Sinne für "möglich", "wahrscheinlich", in jedem Falle für unbeweisbar halten.
Derjenige, der diese Dinge erforscht, weiß allerdings, dass ihnen größere Evidenz2 zukommt, dass man also sehr genau wissen kann, was im nichtsinnlichen Bereich vorhanden ist und was sich da, und weshalb abspielt.
Wenn er von seinem Wissen etwas mitteilt, dann ist er gegenüber dem in dieser Hinsicht unwissenden Menschen wie ein Lehrer, dem erst einmal geglaubt werden sollte, was er sagt - nur so kann Neues aufgenommen werden – bis man selbst Einsicht und Verständnis erlangt. Danach ist man selbstverständlich in dieser Hinsicht nicht mehr auf Glauben angewiesen.
Zusammenfassend kann also gesagt werden: Grundsätzlich sind die übernatürlichen Welten und alles, was damit zusammenhängt, der menschlichen Erkenntnis zugänglich. Man ist allerdings solange auf die Mitteilungen anderer angewiesen, solange man selbst nicht Einsicht gewonnen hat. Glaube wäre in diesem Falle Vertrauen auf die Seriosität eines Lehrers bzw. darauf, dass etwas logisch Dargestelltes eine Sache wahrscheinlich macht, wenigstens im Sinne der besten aller Theorien.


Christlicher Glaube

Während alles bisher Gesagte unabhängig davon, ob der Mensch nun glaubt oder weiß, oder ob er es zur Kenntnis nimmt, existiert, kommen wir nun zu einer Form des Glaubens, die nicht unabhängig vom Mittun des Menschen wirksam wird. Hier kommen wir zu einer Form des Glaubens, die eminent praktisch ist, und nur in der Glaubensbetätigung ihr Wesen entfaltet.
Dass wir durch Christus von allem Übel erlöst sind und damit ewiges Leben und die Auferstehung erlangen können, ist zwar auch ein Tatbestand, der unabhängig von uns existiert, aber erst wirksam wird, indem ich darauf vertraue. Denn erst dann nehme ich die objektiven Weltkräfte in mein eigenes Leben auf, die erst dann in mir die tatsächliche Erlösung, das ewige Leben und die Auferstehung bewirken können. Vorher halte ich durch Unglauben und Desinteresse diese Kräfte von mir fern. Dann bleiben sie außerhalb von mir und ich habe daran keinen Anteil. Indem ich also an die Erlösung, das ewige Leben, die Auferstehung – kurz an Christus, bzw. meine ewige, göttliche Natur – glaube, geschieht durch diesen Glauben mit mir eine Wandlung; es wird so durch den Glauben in mir etwas Neues bewirkt, das sonst nicht geschehen würde. Deshalb heißt es von dem christlichen Glauben: Der Glaube ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft.
Nun ist das, was man hofft, ja ein Zukunftsziel. Das bedeutet aber nicht, dass man während des Glaubens, insofern man nicht aufhört zu glauben, nichts erfährt. Nein, bereits, wenn ich beginne zu glauben, so beginnt da bereits die Wandlung mit mir. Und je länger ich glaube, umso mehr erfahre ich Veränderungen in mir.
Der Glaube, wie er hier verstanden wird, ist in etwa mit dem Glauben zu vergleichen, der einen Erfinder beseelt, der genügend Anhaltspunkte dafür hat, dass seine Erfindung Wirklichkeit werden wird.
Ein Beispiel: Die Natur hat dem Menschen die Fähigkeit zum Fliegen nicht unmittelbar gegeben. Aber schon immer wollte der Mensch gern fliegen. Man denke an Ikarus. Nachdem aber die Naturgesetze immer mehr erkannt wurden, wurde der Glaube, dass es möglich sei, fliegen zu können, neu belebt.
Einer der Pioniere der Luftfahrt war Otto Lilienthal.
Nachdem das Fliegen erst einmal gelang, wurden die Erfahrungen genutzt und daraus weitere Erkenntnisse gewonnen, die der Luftfahrt zugute kamen, so dass wir heute an jeden Ort der Erde, ja sogar in den Weltraum fliegen können.
Dieses Beispiel aus dem äußeren Leben, dem Glauben an die Verlässlichkeit der Naturgesetze, entspricht der wahre christliche Glaube, der nun nicht die äußere Natur des Menschen verändern, sondern die göttliche Natur des Menschen zur Entfaltung bringen möchte. Die Allmacht des Geistes, wie sie in Jesus Christus mit der Auferstehung sichtbar wurde, soll auch an uns allen sichtbar werden.


Wunder – des Glaubens liebstes Kind?

Es wurde gesagt, dass durch echten Glauben Neues entstehe: damit ist auch schon die Frage beantwortet, ob nun das Wunder tatsächlich des Glaubens "liebstes Kind" sei. Das Neue ist ja das Wunder!
Alles, was wir Menschen geschaffen haben, wurde durch Glauben geschaffen. Die Natur selbst hat es nicht (von allein) hervorgebracht.
Wer an Gott, an das uns eigene ewige Wesen, die schöpferischen Fähigkeiten des Geistes und der Seele, wirklich glaubt, mit dem geschehen Wunder, und er bringt Wunder hervor.
Deshalb ist auch der Gläubige an allem Wunderbaren interessiert. Er studiert dieses, um so selbst fähiger zu werden.
Das naturwissenschaftlich Machbare hilft dem Menschen nicht wirklich, da er die neuen Fähigkeiten nicht sich selbst aneignet, sondern Kunstprodukte (Maschinen usw.) für sich tätig sein lässt. Der Mensch macht sich dadurch äußerlich abhängig. Obwohl ihm scheinbar durch die Technik vieles abgenommen wird, verarmt er innerlich.
Durch den spirituellen Glauben aber pflanzt sich der Mensch neue Fähigkeiten unmittelbar ein, so dass er nicht verarmt, sondern innerlich reicher wird.


Das Handicap des Unglaubens

Völlig unangemessen verhält sich der Ungläubige, der über die Glaubensaussagen spottet, denn er nimmt nur seine bisherige Erfahrungen und Wissen als Maßstab und schneidet sich so vor weiteren Erfahrungen und Einsichten ab. Er ist also, wie ein Schüler, der dem Lehrer in der Schule gegenüber sagt: "Das, was Sie mir beibringen wollen, ist alles Unsinn. Ich weiß schon alles."
(Erstveröffentlicht in „Mysterium Mensch“, 11,1999)

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