- Eine dringend notwendige Besinnung -
Wer sich getrieben fühlt, theologische Aussagen zu machen, d.h. Aussagen aus "göttlicher Sicht", sollte sich über die Grundlagen im klaren sein, auf denen er das tut.
Der Naturwissenschaftler hat es im Gegensatz zum Theologen leicht. Er hat mit einer Wirklichkeit zu tun, die weitgehend greifbar, sichtbar, aber auf jeden Fall, meßbar ist. Bildet ein Naturwissenschaftler Hypothesen, so werden diese früher oder später an der Realität verifiziert oder ad absurdum geführt.
Anders bei einem Theologen: Er geht von einer Realität aus, die nur in geringem Maße erfahren, im wesentlichen jedoch lediglich geglaubt, d.h. als. vorhanden angenommen wird. Die Interpretation dieser Wirklichkeit und der Zeugnisse (bsw. der Bibel), die von dieser handeln, scheint deshalb mehr oder weniger menschlicher Willkür zu unterliegen. Es ist ganz klar, daß auf d i e s e r Grundlage die Ansichten derer, die theologisieren, seien es nun ausgebildete Theologen oder "Laien" divergieren müssen.
Aber die Ausgangssituation der Naturwissenschaft war durchaus eine ähnliche, wie sie heute für die Theologie noch ist. Naturwissenschaftliche Zusammenhänge, wie sie uns heute selbstverständlich sind, wurden erst allmählich entdeckt. Die Kriterien, an oder mit denen Wirklichkeit meßbar ist, und mit denen Naturprozesse nachvollzogen oder gar neue Prozesse ausgelöst werden konnten (Experiment) mußten erst gefunden werden. Nur langsam entwickelte sich eine naturwissenschaftliche Weltsicht.Daß heute diese Sicht beherrschend geworden ist - nicht zuletzt durch die freilich schon wieder fragwürdig erscheinenden Erfolge auf technologischem Gebiet - ist darauf zurückzuführen, daß Erkenntnisse gewonnen wurden, auf denen sich bauen ließ und die immer neue Erkenntnisse evolvierten.
Im Vergleich dazu sind die Ergebnisse der Theologie beschämend. Nach einer nahezu zweitausendjährigen Geschichte der christlichen Theologie sind wir, was die erkenntnismäßige Vertiefung der wesentlichen Aussagen des christlichen Glaubens - wie sie etwa im athanasischen Glaubensbekenntnis zum Ausdruck kommen - anbelangt, nicht weiter als am Anfang. Im Gegenteil, es gibt nahezu nichts im christlichen Glauben, das nicht durch die (moderne) Theologie in Frage gestellt wurde.
Doch auch die evangelikale Theologie brachte keine neuen Erkenntnisse. Ihre Tätigkeit besteht lediglich in einem Arrangieren von Bibelstellen.Daß hier etwas mit der Ausgangssituation, den Grundlagen des Theologisierens nicht stimmen kann, müßte jedem in die Augen springen. Aber es gibt ja so etwas wie eine Betriebsblindheit. Dazu gehört, daß im allgemeinen übersehen wird die Beschäftigung mit dem "Wort Gottes" nicht die Erforschung d e r Wirklichkeit ist, die in diesem ausgedrückt ist. Andere Theologen gehen davon aus, daß es nur das naturwissenschaftlich erforschbare Dasein gibt und interpretieren in diesem Sinne die Aussagen der Bibel.
Diese Irrwege können vermieden werden, wenn man sich klarmacht, daß, wie in der Naturwissenschaft, wirkliche Aussagen über eine Realität nur gemacht werden können, wenn man immer und immer tiefer in diese Realität selbst eindringt, sie also selbst Gegenstand der Forschung ist.Dieses Prinzip auch für die Theologie in Anspruch zu nehmen ist nicht Vermessenheit, sondern trägt die Verheißung: "Ihr werdet die Wahrheit erkennen" (Joh. 8,32).
Theologische Aussagen werden dann zu dem, was im Wesentlichen ihre Funktion sein soll: Hilfsmittel auf dem Weg in und zur Erforschung einer Realität, die sich dem Sinnenschein entzieht (einschließlich ihrer Bezüge zur physisch - sichtbaren Welt), und einer Realität, die erst durch Jesus Christus auch für uns in vollem Maße Wirklichkeit werden kann (1. Kor. 2,6-15; 1. Kor. 1-3 und viele andere).
Durch das vertiefte Eindringen in die nur dem physischen Auge unsichtbaren Welten und die immer tiefer werdende Verwirklichung des Heils (Heiligung) erhalten die Hypothesen der Theologie ihre Korrekturen, so daß sie zu einem immer geschmeidigeren Werkzeug werden.
Es versteht sich von selbst, daß eine solchermaßen r e a l i t ä t s b e z o g e n e Theologie nicht konfessionsgebunden sein kann. Im Gegenteil wird sie alle durch Nichtverständnis bedingten Barrieren überwinden können, und so die "Einheit im Glauben" (Eph. 4, 13) ermöglichen.
Dieses für unsere Zeit neue Verständnis der Theologie bedingt nicht nur eine grundsätzliche Neuausrichtung des Theologen - er selbst in seinem Streben nach Heil und der damit verbundenen Transformation seiner selbst, ist primäres Studienobjekt, das ihn in unmittelbaren Kontakt zu oben genannten Realitäten bringt - sondern auch eine gewichtsmäßige Verlagerung und Ausweitung der theologischen Studienfächer.
Zu ihnen wird nicht nur die vergleichende Beschäftigung mit Leben und Aussagen christlicher Mystiker aller Konfessionen gehören, oder die Beachtung christlicher Erfahrungen, sondern auch an den Erscheinungen und den Aussagen des Spiritismus und der Parapsychologie wird der Theologe nicht oberflächlich Kenntnis nehmend, vorbeigehen können. Wenn sie ihm auch keine unmittelbar christologischen Erkenntnisse vermitteln können, so können sie doch geistig-seelisch-materielle Zusammenhänge offenbaren.Das Wichtigste, selbstverständlich neben dem eigenen Streben nach Heiligung, wird schließlich die Zusammenschau des so gewonnenen Wissens sein. Diese wird dem Theologen in echt wissenschaftlicher Weise sagen können, unter welchen Bedingungen diese oder jene Ergebnisse zu erwarten sind.
« Staunen ist der erste Grund der Philosophie. » Aristoteles
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